12. Oktober 2013

But it's too cold for you here.

Ich überlegte eine Weile und stand dann auf, lief aus meinem leeren Zimmer zurück in die Küche auf der Suche nach meiner besten Freundin. Selina? - Wohnzimmer, kam es aus der angelehnten Tür, welche ich sogleich öffnete. Sie saß auf dem großen Sofa, einen Teller Nudeln neben sich und ihrem iPad vor sich. Sie sah nicht zu mir, sondern blickte gebannt auf den hell erleuchteten Bildschirm. Finn hat gerade gefragt ob wir mit ihm und den anderen heute weggehen wollen. Ein paar Cocktails trinken, vielleicht ein bisschen tanzen. - Dann geh doch mit, sagte sie kalt. Ja, ich wollte wissen, ob du mitkommen willst. Es kam wieder keine Regung von ihr. Ich setzte mich direkt vor sie und nahm ihr das iPad weg. Tut mir Leid, wenn ich eben was Falsches gesagt habe. Aber es geht alles gerade drunter und drüber und ihr macht es mir wirklich schwer von hier weg zu ziehen. Selina sah nun auf, man konnte förmlich spüren, wie sie mitfühlte. Hast du nicht, wand sie jetzt ein. Ich kann verstehen, wie schwer das für dich ist. Aber für uns ist es genau so scheiße. Aber ich sehe dich leiden, verstehst du? Es geht nicht nur um mich, Finn und all die anderen. Es geht hier hauptsächlich um Tim. Versuch nicht dich jetzt daraus zu reden. Du schielst die ganze Zeit dein Handy an, du wartest darauf, dass er sich meldet, aber selber machst du es nicht. Ich setzte an, etwas zu sagen, aber sie schnitt mich. Du bist weggerannt, wieso sollte er sich jetzt melden? Lange wird der dir nicht mehr hinterher rennen. Verdammt, ich weiß, dass du Chris liebst, wirklich. Aber ganz ehrlich? Da sind noch Gefühle für Tim, das kannst du nicht leugnen! Geschockt sah ich sie an. Wieso? Wieso kannst du mich nicht einfach mein Ding machen lassen und du machst deins? Sie packte mich am Arm. Weil du verdammt noch mal meine beste Freundin bist und ich nicht will, dass es dir schlecht geht. Sie sah mich direkt an und mir blieb die Sprache weg. Ohne große Umschweife lehnte ich mich zu ihr und zog sie in eine feste Umarmung. So sehr ich sie schon liebte, wurde mir in diesem Moment noch viel klarer, was mir Selina eigentlich bedeutete. Wie sie diejenige war, die immer für mich da war, selbst wenn wir uns anzickten und vielleicht tagelang nicht miteinander redeten. Selina war immer da. Danke, murmelte ich gegen ihren Hals und sie nickte. Und was ist nun, kommst du mit?, fragte ich und schmiss das Kissen weg. Nein, ich bleib hier. Ich muss für Mathe lernen. Ich nickte skeptisch. Ruf mich an, wenn du an der Haltestelle ankommst, ich hol dich ab. Sie grinste amüsiert und ich rollte mit den Augen. Was? Ich weiß, dass du nicht gern im Dunkeln heim läufst. Ich hol dich einfach ab. - Geht klar, murmelte ich dankbar und war nach wenigen Minuten aus der Tür verschwunden, in die kühle Nacht hinein. Wie immer war es ein unheimlicher Spaß, wir lachten, tanzten, tranken und verhielten uns einfach wie man es von Jugendlichen erwartete. Die Zeit verging so schnell, dass ich es gar nicht mitbekam, wie es immer dunkler wurde und die Zeit an mir vorbei zog. Gegen zwei Uhr schrieb ich Selina eine miserable SMS, dass ich mich jetzt auf den Weg nach Hause machen würde. Nach 15 minütiger U-Bahn Fahrt wurde meine Haltestelle aufgerufen und ich raste aus der Bahn hinaus, mich schon nach Selina umschauend. Jedoch war sie nirgends zu sehen. Sicherlich oben“, flüsterte ich zu mir selber und stieg die Treppen hinauf. Das helle Licht verblasste und ich tauchte in das matte Nachtlicht ein. Ein Auto raste an mir vorbei und ich nahm einen Schritt zurück, drehte in die Richtung zu unserer Wohnung. Ich sah dem Auto nach und drehte mich dann um und blieb wie angewurzelt stehen. Nein, dachte ich mir. Mit verschränkten Armen lief ich einen Schritt schneller, vorbei an Tim, welcher angelehnt an dem hohen Zaun stand. Das konnte wirklich nicht wahr sein. Meine Augen fest auf den Boden gerichtet lief ich durch die Stadt, wurde mit jedem Schritt jedoch langsamer, ich konnte nicht wegrennen. Tim lief geduldig neben mir her, sagte kein Wort. Auf der einen Seite war ich dankbar dafür, dass er nichts sagte und hier war, auf der anderen Seite konnte ich die Anspannung der ungesagten Worte spüren. Ich öffnete den Mund um etwas zu sagen, konnte aber nichts herausbringen. Wie sollte ich mich nur erklären, wie sollte ich ihm etwas erklären, was ich doch selber nicht verstand. Einen kurzen Augenblick wagte ich es zu ihm hinüber zu sehen, sah wie seine Haare nicht gemacht waren, unordentlich in eine Mütze gesteckt. Wie er nach oben sah und dann auf den Asphalt. Bekümmert sah ich von ihm fort, es schien mir als wollte er nicht wirklich hier sein, als hätte mich ihm jemand aufgedrängt. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, die Stille zu brechen und mich ein Stück wohler zu fühlen, als seine warme Hand meine umschloss. Sofort schoss mein Blick hinauf zu ihm, fragend was seine Hand so schützend um meine zu suchen hatte. Ein sanftes Lächeln kroch über seine Lippen. Tim schob den Saum seines Pullovers über meine Finger, verdeckte seine und meine halbe Hand damit. Deine Hand ist kalt, sagte er leicht amüsiert. Wir beide wussten, dass meine Hände immer kalt waren. Wir sind da, sagte er nach eine weiteren Weile des Schweigens, welche nichts mehr von der Anspannung trug. Ich sah an dem Haus hinauf und entdeckte das Licht in unserer Wohnung. Ich nickte und sah auf unsere Hände. Danke, meinte ich und ließ seine Hand los, merkte wie die Kühle sie wieder angriff. Total perplex bedankte ich mich noch einmal bei ihm und Tims Lächeln wurde breiter. Kein Problem, flüsterte er. Du bist nicht gern allein im Dunkeln. Mein Herz fühlte sich an als ob es jeden Moment explodieren würde. Ich sah nochmal auf meine Schlüssel und holte tief Luft. Warum fiel es mir so schwer jetzt zu gehen? Warum konnte ich mich nicht einfach umdrehen und gehen? Warum konnte ich nicht wegrennen? „Geh rein, es ist kalt.“ Seine Stimme durchschnitt mich. Wehmütig sah er zu mir, als ich nickte. Ich nahm mir ein Herz und drehte mich um, lief geradewegs auf die Tür und schloss auf. Ein letztes Mal sah ich mich um zu ihm, wie er im Licht der Laterne stand und mich anlächelte. Die Tür fiel hinter mir ins Schloss und ich war ganz außer Atem. Ich rannte förmlich die Treppen hoch und ließ mich gegen die Wohnungstür fallen als ich sie hinter mir schloss. Ich sackte auf den Boden, meinen Kopf an die Tür gelehnt, als Selina aus dem Wohnzimmer mit einem Lächeln zu mir schaute.  „Und?“, fragte sie schelmisch. „Ich hasse dich“, sagte ich trocken und atmete tief aus. „Geh, Amy. Der wartet sicher noch.“ Ich schüttelte mit dem Kopf. „Amélie!, ihr Ton war nun scharf. Geh!“ Also drehte ich mich um und ging. Und tatsächlich. Er stand immer noch an der Laterne gelehnt und grinste, als er mich aus der Tür gehen sah.



6 Kommentare:

  1. du hast glück, halte es fest..

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    1. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen, Liebes! :*

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  2. Anonym11:18

    Ich weiss, dass du deinen Freund liebst. Aber du hast doch noch Gefühle für Tim. Wenn deine beste Freundin das sogar merkt. Es ist an sich ja auch nichts Schlimmes..

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  3. oha ich will unbedingt wissen wie es dann weiter ging :o

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  4. Die Situation kenn ich. Wer weiß schon, was er wirklich will? Mach einfach das, was dein Herz dir sagt. Ich glaub, du wirst dich schon richtig entscheiden. Wie immer ein wunderbarer Text. Schreib weiter so :)

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  5. Kann ich gut verstehen!

    In Niedersachsen aber morgen muss ich nach zwei Wochen Ferien wieder zur Schule :|

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