15. Juni 2013

I will give you all my heart

Wir liefen in die Garage, stiegen in den dunklen Rover und als Scarlet die Einfahrt hinausfuhr zog ich die Beine an und legte meine Arme auf sie. Der Tag war regnerisch und trüb. Literaturstudenten würde vermutlich das Herz aufgehen, wenn sie mich jetzt so sehen könnten. Der Regen prasselte wie wild gegen die Frontscheibe, während die Scheibenwischer über das Fenster quietschten. Liam hatte sich auf der Tür abgestützt und strich sich mit dem Fingerrücken über seinen Mund. Ich spürte, wie er mich ansah, doch ich sah angestrengt aus dem Fenster, tat so als wäre alles normal, als würde ich nicht in mich zusammen fallen. Du und Chris also?, fragte er nach einer Weile. Ich will nicht darüber reden! Mein Ton war bestimmend, doch etwas in mir sagte mir, dass er nicht nachgeben würde. Musst du nicht, dann rede ich eben drüber. Er warf mir einen Blick zu. Ihr liebt euch! Ich konnte von der Seite aus sein Grinsen sehen und nahm abrupt meine Füße von dem Sitzt, setzte mich unbequem auf und starrte ihn an. Das deute ich als ein ja, neckte er. Nein, Liam. Das..ooh, schimpfte ich und schlug ihm auf den Arm. Er gluckste und grinste mich schief an. Du bist unmöglich, brummte ich und erfühlte meine heißen Wangen. Trotzig verschränkte ich die Arme. So sehr ich Liam auch mochte, wenn ich mit jemandem über Chris sprechen wollte, dann sicher nicht mit ihm. Die beiden waren sich einfach zu nah. Spaß bei Seite, sagte er und sah mich ernst an. Wir waren inmitten einer Seitenstraße, die ich nicht kannte. Die Reihenhäuser standen traurig im Regen und der grüne Rasen war stechend zu dem roten Backstein. Du magst ihn, mischte sich jetzt auch Scarlet ein. Es war keine Frage gewesen, sondern eine Feststellung. Eine Feststellung, die mich erröten ließ. Wen meinst du?, fragte ich gespielt unwissend nach, was Scarlet schmunzeln ließ. Meinen Sohn, sie zwinkerte mir zu. Er mag dich übrigens auch! - Hat er das gesagt? Ich richtete mich auf und sah sie aus großen Augen an. Sie schüttelte den Kopf. Nein, aber das braucht er auch nicht. Ich bin seine Mutter. Ich merke das. Noch einmal zwinkerte sie mir zu und konzentrierte sich dann weiter auf die Straße, bevor sie erneut anhielt und aus dem Wagen ausstieg. Meinst du es ernst mit ihm?, fragte Liam und sah seiner Mutter hinterher.  Ob ich es ernst meine?, fragte ich geschockt und sah in sein ausdrucksloses Gesicht. Ich hab gestern gesehen, wie du Nico geküsst hast, meinte er und sah mich prüfend an. Oh Gott, murmelte ich und musste grinsen. Beschämt sah ich weg, konnte nicht glauben, dass Liam wirklich dachte, dass ich etwas mit Nico, Chris' bestem Freund, anfangen würde. Das war ein Kuss auf die Wange, Liam, verteidigte ich mich. Das war einfach ein Kuss unter Freunden! Ich beugte mich spontan zu ihm hinüber und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Liam sah mich mit großen Augen an, als ich mich wieder in meinen Sitz fallen ließ. Da, genau so etwas war das. Es hatte absolut nichts zu bedeuten, beteuerte ich schulterzuckend wobei Liam mich immer noch seltsam ansah. Mach das nie wieder, sagte er schließlich lachend. Bestimmt nicht, antwortete ich. Deine Lippen sind übrigens viel zu trocken, du solltest das mit dem Lipgloss lassen! Das brachte mich zum Lachen und gleichzeitig zu den Erinnerungen an Tims Kuss. Die Ausrede, dass meine Lippen geglänzt hätten. Ich wusste nicht wieso, aber langsam rutschte ich wieder in das Selbstmitleidsloch, das ich so sehr hasste, aber es schien immer wieder spontan aufzutauchen, wenn ich es nicht brauchte. Ich vermisste ihn. Die Frage sollte eher lauten, ob er mich genauso mag, wie ich ihn, flüsterte ich mir eher selber zu, doch Liam hörte es und setzte an etwas zu sagen. Fang mir jetzt nicht damit an, dass er mich ja lieben würde, Liam. Ich dachte an Chris. An seine schönen Augen und an sein Lachen und an unseren Streit von gestern, weil ich mich wieder übergeben hatte. Sag mal, bist du wirklich so blind oder tust du nur so?, wollte Liam wissen. Was?, fragte ich ahnungslos wobei über sein Gesicht die Ungläubigkeit huschte. Er leckte sich schnell über die Lippen und fing an mit seinen Händen zu gestikulieren. Ein Spiel zwischen Unsicherheit und dem Bedürfnis etwas zu sagen, zeigte sich vor mir. Rück endlich damit raus, forderte ich ihn auf. Er holte tief Luft und ließ sie mit einem lauten Schnauben wieder hinaus. Er hat schon von dir geschwärmt, als du noch gar nicht hier warst. Er geht nicht auf Partys, sagt seinen Freunden ab, um die Zeit mit dir zu verbringen. Allein wie er dich ansieht, sagt doch schon alles. Er tut alles für dich und du bist so blind und merkst es nicht. Das unbeschreibliche Gefühl, das ich sonst immer in Chris' Nähe hatte, verstärkte sich in meiner Magengegend und breitete sich aus. Es kroch in meine Finger und ließ sie taub werden. Nervös knetete ich auf ihnen herum. Wirklich?, fragte ich zögerlich. Liam nickte und sah mich ernst an. Das ergab alles keinen Sinn, nichts von All dem. Das zwischen uns würde sowieso nicht funktionieren, schloss ich das Thema, sah noch ein letztes Mal in Liams genervtes Gesicht und holte mein Handy aus der Tasche um mir mein Lieblingslied anzuhören. Mit den Augen geschlossen dachte ich an nichts anderes an Chris und Liams Worte. Und wie kompliziert diese Welt doch war.


10 Kommentare:

  1. Chris scheint dich wirklich sehr zu mögen, wenn sogar Liam und seine Mutter das sagen.. Liebe ist kompliziert.. Das merke ich selber gerade auch mal wieder..

    Und danke liebes, es freut mich so etwas zu hören ♥ Du bist wunderschön, weißt du das?

    Ich war auf meinem ersten Festival, da haben viele eher unbekannte Bands gespielt, ich glaube nicht das sie dir etwas sagen würden. Mom´s day vielleicht? Oder my Little Rockstar dream?
    Aber es war wirklich schön :) und das mit dem Jungen, es ist schö doch warum bin ich mir dann über meine <Gefühle so unsicher?

    Ganz viel Liebe nur an dich ♥♥

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  2. Hab dir einen Award verliehen :)

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  3. Oh, Amélie, du sollst dich doch nicht wieder übergeben! Ich dachte, Chris hilft dir dabei, nicht mehr krank zu sein, dich wie jemand zu fühlen? Weiß Liam eigentlich auch von deiner Bulimie?

    Amélie, jetzt hast du endlich die Gewissheit, dass Chris dich auch mag. Was ist dann dein Problem? Hast du Angst, dass er dich genauso verletzen wird? Dass er irgendwann gehen wird? Oder davor, dass du dich nach Marek wieder zu schnell bindest? Weißt du, Amélie, manchmal gehören zwei Menschen einfach zusammen, ihr habt euch nach so kurzer Zeit schon lieb gewonnen, er hat dich so schön aufgenommen, ihr seid euch so schnell wichtig geworden. Und dann ist es vollkommen egal, was davor war oder was noch passieren wird. Wenn du ihn magst, dann sag es ihm. Was hindert dich noch daran? Nicht alle Menschen sind so wie Marek, zwischen euch ist einfach etwas besonderes!

    Ich bin dir so dankbar, Amélie, ehrlich. Und ich bin so froh, dass es dich gibt, dass du mir Mut machst, dass du mir ein Lächeln schenkst. Das reicht mir schon! Ja, wahrscheinlich brauchen wir einander. Ich brauche ihn auf jeden Fall, und er vermutlich auch mich. Wenn du das sagst ;) Natürlich würde Toby es nicht wollen, dass ich wegen ihm weine. Das siehst du ja auch an seiner Reaktion darauf, als ich ihm gesagt habe, dass ich in dem Moment geweint habe. Er meinte doch 'soll es das jetzt besser machen, dass ich weiß, dass du geweint hast?'. Ich weiß nicht, ob ihn das alles genauso verletzt wie mich.

    Du bist so süß! Ich weiß, dass Matt und ich noch lange zusammen bleiben werden, weil wir schon so viele Streits, so viele schwere Phasen zusammen gemeistert haben. Ich würde mich für dich auch jeder Zeit freuen ;)

    Thihi, und ich bin gerne für dich da, Amélie!

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  4. Amélie, ich flehe dich an, bitte zweifel nicht an deiner Schönheit. Höre auf dich zu übergeben! Bitte, bitte, bitte!
    Das mit Chris ist so wundervoll, lass es einfach zu und höre auf seiner Liebe zu dir zu misstrauen. Denkst du eine gemeinsame Zukunft wäre auf irgendeine Art und Weise möglich?
    Ach ja, ich habe dir zurückgeschrieben.
    <3 <3 <3

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  5. Da hast du doch endlich die beweise, dass Chris dich auch sehr mag. Ich meine, warum sagst du es ihm nicht einfach? Ich verstehe, dass du ein wenig Angst davor hast und vor dem, was dann auf dich zukommt, aber das zwischen euch beiden ist unglaublich besonders, glaub mir. Ich merke doch, wie glücklich er dich macht. :-)

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  6. Wow, wieder ein wunderschöner Text.
    Deine Texte sind so super zum lesen, man kann sich so super gut in die Situation hineinversetzen.
    Mach einfach genau so weiter. <3

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  7. Hey, du hast 'nen neuen Header. Sehr schön! :-)

    Ja, gut, die Entfernung ist echt ein Problem. Ich weiß nicht, es ist echt krass auf 'nem anderen Kontinent. Ich weiß nicht, wie ich handeln würde. Du musst halt sehen, wie es sich entwickelt. Du kannst nicht vor deinen Gefühlen davon laufen, aber tu das, was für dich am besten ist, ja? :)

    Ja, das sagt man so! Ich muss ja auch abwarten, Amélie. Ich will garantiert nichts riskieren. Hab aber in der Schule mehr oder weniger oft genug mit ihm geredet, aber naja, jetzt sind ja Ferien und vielleicht tun die uns auch ganz gut. Kommen uns gerade recht ;)

    Ich werde ihn dann besuchen, wenn wir das geklärt haben. Ich weiß nicht, ob ich das durchziehen kann, aber ich fänd's mal schön. Zumal Matt ja nichts von der ganzen Sache weiß und Toby und ich das immer nur über Facebook klären. Na, mal sehen. Wird schon werden!

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  8. Es tut mir leid, dass ich erst jetzt antworte. Ich hab dir die Geschichte als Mail geschickt. Tut mir jetzt schon leid dafür.. wenn du nicht möchtest, dann musst du es nicht lesen.

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  9. les icq - steht alles drin. ♥

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  10. Danke. Ich habe dir wieder geantwortet.

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